
Wer spricht welche Sprache mit dem Nachwuchs?
Unser Wunsch wird Wirklichkeit – wir erwarten unser erstes Kind. Und neben all den Fragen, die jede Schwangere plagen, kommt auch gleich der Gedanke der bilingualen Erziehung. Es gibt viele Möglichkeiten und die bekannteste ist vermutlich OPOL – one parent one language. Jedes Elternteil spricht also konsequent in (s)einer Sprache. Diese Methode kenne ich von vielen Familien, doch ist es meist die Mutter, die die Fremdsprache inne hat und der Vater spricht Deutsch. Das würde bei uns bedeuten, dass ich nur Deutsch mit unserem Kind spreche und mein Mann nur Persisch. Doch kann das sinnvoll sein? Ich liebe Sprachen und ich soll nur das langweilige Deutsch sprechen dürfen mit meinem Kind? Und wie in den meisten Familien bleibe ich das erste Jahr zuhause und werde den größten Einfluss auf die Sprachentwicklung haben. Und das wäre ja dann Deutsch. Danach kommt die KiTa, Schule, Freunde – alles Deutsch. Es scheint mir nicht sinnvoll für unsere Situation.
Da ich nun auch einmal gelernte Sprachwissenschaftlerin bin, wollte ich mich auch nicht mit der bekanntesten und einfachsten Methode zufrieden geben. Ich las also Bücher, kramte in meinen alten Studienunterlagen und recherchierte im Internet. Meinem Mann gab ich dann glücklich bekannt, dass wir ml@h praktizieren würden: minority language at home (Minderheitensprache zuhause). Solange wir also als kleine Familie zuhause sind oder unterwegs, werden wir miteinander ausschließlich Persisch sprechen. Außerdem wird unser Schlafzimmer eine „freie“ Zone sein – keine Regeln zur Sprachanwendung. So können wir wichtige Themen auch auf Deutsch besprechen ohne unsere selbst gewählte Methode zu sabotieren.
Traue ich mir das zu, als Nichtmuttersprachlerin? Natürlich. Warum auch nicht! Mein Kind wird meine Fehler nicht übernehmen. Es wird sie hören, wahrnehmen und analysieren. Unterbewusst allerdings. Dann hat es den Papa zum Vergleich, der fehlerfrei spricht. Bibi-jan, baba-jan und Tanten und Onkels sprechen Persisch, fehlerfrei. Geschichten, Lieder und sicherlich auch Filme auf Persisch werden uns unterstützen. Wenn unsere bilinguale Erziehung fruchtet, weiß ich bereits, dass mein Kind mich irgendwann kritisieren wird für meine Fehler. Aber ich hoffe, dass ich dann zumindest weniger als jetzt mache.
Und ich mache mir auch keine Sorgen um die Deutschkenntnisse. Das muss ich auch nicht: wir leben in Deutschland, wir werden es in eine deutsche Krippe und Kindertagesstätte schicken und auf eine deutsche Schule. Es wird ins deutsche Kino gehen und deutsche Märchen hören. Außerdem hat es noch liebevolle deutsche Großeltern, die sich mit Freude auf Deutsch unterhalten werden mit ihrem Enkelkind – so oft es geht. All dieser Einfluss wird automatisch dazu führen, dass es Deutsch kann. Es war bei meinem Mann nicht anders. Seine Eltern reden bis heute nur Persisch mit ihm. Zuhause wurde ausschließlich Persisch gesprochen in seiner Kindheit und dennoch ist er in der deutschen Sprache gleichermaßen zuhause.
Um das Persische mache ich mir da mehr Sorgen. Es ist nicht wie die Sprachen, die ich bisher gelernt habe. Es gibt kaum Materialien zum Spracherwerb für Erwachsene – umso weniger für die bilinguale Erziehung. Erschwerend hinzukommt, dass man differenzieren muss zwischen Farsi und Farsi-Dari. Letzteres wird in Afghanistan gesprochen und ist die Sprache, die wir unserem Kind beibringen wollen. Es ist eine Sprache, für die es keinen Sprachkurs gibt. Man findet vereinzelte Links, vereinzelte Kinderbücher. Doch man muss sich letztendlich mit Farsi begnügen und das Beste daraus machen. Diese Sprache dann zu lernen obwohl sie kaum greifbar ist, wird eine Herausforderung. Ein Kind darin aufwachsen zu lassen, eine noch größere.
Gut, dass eine Schwangerschaft neun Monate dauert – neun Monate um uns auf unser kommendes bilinguales (bzw. monolinguales Familien-)leben vorzubereiten.